Und wieder Weihnachten!
Weihnachten brauchen wir immer, doch dieses Jahr haben wir Weihnachten so nötig wie nie zuvor. Die Welt eiert aus den Angeln gehoben um das Corona-Virus, und wir eiern mit ihr.
Eigentlich wollte ich dieses Jahr hoch in den Norden Israels, in eines der christlichen Dörfer, nach Maale Tarschicha oder Rame fahren und endlich einmal ordentlich arabisch Weihnachten feiern. Mit lautem Gesang und Tanz, Prozessionen, kiloschwerem Weihnachtsschmuck aus Plastik an jeder Straßenecke, klebrigen Süßigkeiten und über allem das Flair des Orients. Daraus wird natürlich nichts. Stattdessen bin ich die letzten vier Wochenenden in der Jerusalemer Altstadt gewesen, immer auf der Suche nach etwas Weihnachtstimmung. Und die gibt es tatsächlich. Zuallererst und wohl am allermeisten im Weihnachtsmannhaus.
Drei Straßenbiegungen hinein in die Straße des Lateinischen Patriarchats liegt ein Weihnachtsschrein. Der Mann, der das Erdgeschoß eines uralten Wohnhauses liebevoll mit allem geschmückt hat, was man an Weihnachtsdekoration nur finden kann, ist selbst diplomierter Weihnachtsmann.
Zwar waren wir das erste Mal da, bevor die Adventszeit losging und das Weihnachstmannhaus offiziell öffnete, dafür durften wir ganz unoffiziell hinein und hatten den Ort nebst Weihnachtsmann (zwar in Feierabendkleidung, aber immerhin) nur für uns.
Natürlich hat er uns auch unter der Maske angesehen, dass wir uns nach Zuhause und der alten Normalität sehnten, und wie man das von einem guten Weihnachtsmann erwarten kann, hatte er genau im richtigen Augenblick die richtigen Worte. Meine Freundin weinte, und ich stellte mir vor, was wohl los wäre, wenn auch ich die Fassung verlieren würde ...
Der Rest der Altstadt ist auf andere Art und Weise wundersam. Sie liegt im weihnachtlich dekorierten Dornröschenschlaf, und wir wanderten fast allein durch diese Stille. Wer hätte das gedacht? Die vergangenen Jahre habe ich mich immer köstlich über die amerikanisch aufgedonnerten Weihnachtsbäume und die Reizüberflutung in blinkendem Plastik amüsiert und mich wehmütig an die Weihnachtskugeln aus böhmischen Glas erinnert, die an dem natürlich echten, handverlesenen Tannenbaum meiner Großeltern hingen. Daneben baumelten in Zellophanpapier eingewickelte Bonbons, die meine Tanten aus Ungarn mitgebracht hatten, und über allem schwebte die Sorte Lametta, bei der man genau wissen musste, wie man es auspackte und anfasste, damit es nicht wie Tapetenleim im Baum klebte.
Doch in Zeiten einer weltweiten Pandemie kann man nicht wählerisch sein. Und so erfreue ich mich dieses Jahr an quietschbunten Lichterketten und Weihnachtsmännern zum Aufblasen, an mit Leuchtdioden gespickten Hirschen und Weihnachtskugeln aus Plastik.
Eine unglaubliche Menge an Süßigkeiten darf natürlich auch nicht fehlen, von denen die Kilo-Packung einer italienischen Interpretation von Mon-Cheri-Pralinen mein absolutes Highlight ist.
Dieses Weihnachten werde ich trotz allem oder gerade deswegen ganz bewußt so feiern, wie es für mich am meisten Sinn macht. Es wird gutes Essen geben, vielleicht eine deftige Suppe mit Klösschen, dazu Rouladen und selbstgebackenes Brot, und zum Nachtisch könnte ich Quarkkeulchen mit Apfelmuss machen. Geschenke gib es auch, aber nur solche, für die ich die Beschenkten monatelang ausgehorcht habe. Und das wichtigste? Dass ich genau mit den Menschen zusammensein darf, mit denen ich auch zusammen auf einer einsamen Insel sein wollte. Naja ... Zumindest für eine bestimmte Zeit.
In diesem Sinne wünsche ich Euch allen eine friedliche und vor allem gesunde und hoffnungsvolle Weihnacht!
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