Adjame - jenseits von Jaffa
Der Titel ist schon ein bisschen irreführend, denn eigentlich geht es hier um Jaffa, nur eben nicht um das Jaffa, das man meistens zu sehen bekommt, wenn man nach Jaffa geht. Und damit meine ich die Reste der Altstadt auf dem Stadthügel. In den Gassen zwischen Hafen, Peterskirche, und um den Kedumim-Square findet man schicke Kunstgalerien, Töpfereien, Schmuckläden, Restaurants und Antiquitätengeschäfte, doch die brodelnde Vitalität einer arabischen Hafenstadt sucht man vergeblich.
Dabei muss man nur den Altstadthügel nach Süden hinuntersteigen und schon begegnet man einem Jaffa, dass laut und hektisch und plötzlich wieder ganz beschaulich ist, in dem es nach Gewürzen und Orangenblüten duftet und wo einen kühne orientalische Bögen neben Kitsch aus unvermuteten Ecken anlächeln. Die Rede ist vom arabischen Adjame-Viertel. Ende des 19. Jahrhunderts südlich des Stadthügels von Jaffa erbaut, erstreckt sich das Viertel vom Hafen Jaffas im Norden bis zur Stadtgrenze von Bat Yam im Süden, vom Meer im Westen bis zur Jefet-Straße im Osten und ist heute das schlagende Herz von Jaffa.
Wer Zeit hat, in Adjame einen Spaziergang zu machen, der kommt durch idyllische Straßen die selten zweispurig sind. Gesäumt werden sie von grandiosen, über hundert Jahre alten Häusern, denen man den Reichtum und den etwas eigenwilligen Stil ihrer Erbauer ansieht. Hier wird der Eklektizismus eklektisch, denn die prächtigen Stadthäuser huldigen mit ihren dreigliedrigen Spitzbögen und Maschrabiyya (Fenstergittern in geometrischen oder floralen Mustern) ausschließlich dem levantinisch-orientalischen Stil.
Dazwischen sitzen wie Tupfer kleine Fleischereien, Fischgeschäfte, Gemüse- und Tante-Emma-Läden. Manche der Häuser schlummern noch im Dornröschenschlaf, andere dagegen sind euphorisch renoviert und verleihen den Gassen etwas Disneylandcharme.
Auch wenn es ein wenig voyeuristisch ist, lohnt es sich durch geöffnete Türen und Fenster und über die Bäume und Pflanzen der Vorgärten hinweg zu schauen. Dahinter offenbaren sich liebevoll begrünte Innenhöfe, architektonische Details der Häuser und manchmal der ausgefallene Geschmack ihrer Bewohner.
Neben den Kleinoden des levantinisch-eklektischen Stils hat Jaffa auch eine Perle des Bauhaus zu bieten, die sich an der Kreuzung zwischen Toulouse- und France-Straße befindet. Der Bauherr des für seine Zeit ultramodernen Wohnhauses war der arabische Geschäftsmann Abdel Rahim, der einen Großteil seines Vermögens mit dem Export von Jaffa-Orangen machte. Mit dem Entwurf des Hauses im Bauhausstil wurde der jüdische Architekt Yizhak Rapoport beauftragt.
Diese ungewöhnliche jüdisch-arabische Liason wurde durch den arabischen Aufstand, der 1936 kurz nach Baubeginn losbrach, auf eine harte Probe gestellt. Um zur Baustelle mitten im Aufstandsgebiet zu kommen, musste sich Rapoport als Araber verkleiden und wurde dann von Abdel Rahim abgeholt und zu dessen Haus gebracht, wo er übernachtete, um am nächsten Tag den Fortgang der Bauarbeiten zu überwachen. Hatte der Bauherr während dieser Zeit auch andere Gäste, wurde Rapoport als Verwandter aus Kuwait vorgestellt. Abdel Rahims Haus steht allen Wirren der Zeit zum Trotz unverändert. Außen unverkennbar Bauhaus und innen ein traditonell arabisches Wohnhaus mit streng abgeteilten Bereichen für Frauen und Männer, ist es heute die Residenz des französischen Botschafters.
Egal wohin man läuft, zwischen den Häuserlücken schimmert im Westen immer wieder das Meer auf und im Osten blickt man über die südlichen Viertel Tel Avivs bis hin zum Bergland von Samaria.
Hungrig vom Umherstreifen kann man auf der Jeffet-Straße im Restaurant "Merkas HaHummus HaAsli“ Platz nehmen. An gerade mal sechs oder sieben Tischen werden arabische Köstlichkeiten mit einem gewissen Twist, wie arabischer Salat mit Dill, roter Beete und Tahini oder mit säuerlichem Reis gefüllte Kraut- und Weinblätter serviert.
Wer gern orientalische Spezialitäten mit nach Hause nehmen möchte, der sollte den Gewürzladen "Kaffee Tiran" besuchen. Dort findet man neben allem was das Essen würziger macht, auch eine Vielzahl an Tahinisorten, Karob-, Granatapfel- und Dattelsirup sowie die verschiedensten Kräutertees. Am berühmtesten jedoch ist der Laden für seinen Kaffee. Die uralten Röstmaschinen tun nämlich noch fleißig ihren Dienst und produzieren den besten arabischen Kaffee, den die Region zu bieten hat.
Falls Sie also einen Tag in Tel Aviv erübrigen können, füllen Sie ihn doch mit einem Spaziergang durch die Straßen von Adjame!
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