Auf Wiedersehen Israel
Wir (das heißt mein Mann Assaf und ich) haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht, aber nach unzähligen Diskussionen und Gesprächen haben wir uns dazu entschlossen, nach Deutschland umzuziehen.
Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Es ist schon wieder Krieg im Heiligen Land, und es schmerzt sagen zu müssen, das dies in all den Auseinandersetzungen zwischen Israel und Palästina kein “gewöhnlicher“, sondern einer der schlimmsten Kriege ist, die diese Region in den letzten 50 Jahren erlebt hat.
Eigentlich wollte ich immer mehr Zeit in Deutschland verbringen, als ich letzten Endes habe und spätestens nach meinem Heimaturlaub, auf dem Flughafen in Frankfurt oder Berlin, überfiel mich das Verlangen wieder umzudrehen und noch einmal dieselbe Zeit dazubleiben ... Ich denke, jetzt wird es den umgekehrten Weg gehen; zu Besuch in Israel werde ich mir wünschen, länger bleiben zu können.
Dabei haben wir vor, erstmal nur für ein oder zwei Jahre hier in Deutschland zu sein. Vorfühlen, in uns gehen, abwarten. Vielleicht wird ja auf wundersame Weise in dieser geliebten und gequälten Region des Nahen Ostens doch noch ein wenig Frieden einkehren!?

Und in der Zwischenzeit werde ich mich nach so vielem sehnen. Zuallererst nach der Altstadt Jerusalems und den bunten Straßen Tel Avivs, die ich mit so vielen von Euch neu entdeckt habe. Bei meinem letzten Besuch in der Jerusalemer Altstadt im Dezember konnte man sogar soetwas wie Weihnachststimmung spüren. Weihnachtsbäume, Lichterketten und Tannenzweige gaben der Stadt etwas weiches, mildes und kaschierten, dass kaum Touristen die leeren Gassen bevölkerten.

Viele Läden waren geschlossen und die Händler, die noch auf Umsatz hoffen, saßen ganz nah bei den Toren, in der Davidstraße, die vom Jaffator hinunter in das Gassengewirr führt, oder in der al Wad Straße, die am Damaskustor beginnt.

Und dann habe ich doch tatsächlich freiwillig Falafel im “Lina“ gegessen. Die meisten Falafel die anderswo auf den Tisch kommen, sind mir zu alt, zu fest in der Konsistenz, zu wenig oder zu stark gewürzt, und ich schiebe sie ohne überlegen zu müssen zur Seite. Doch dieses letzte Mal, so frisch aus dem Öl, bekam ich die Falafel von ihrer besten Seite präsentiert, das Innere locker und aromatisch und die Hülle knusprig und würzig.
Bei meinem Gewürzhändler Isaac habe ich nur Sahlab eingekauft, zu feinem Staub zermahlene Orchideenknospen, die mit Stärke in Milch aufgekocht werden und ein unvergleichliches Dessert ergeben. Gern hätte ich von seinem Zatar, von den getrockneten persischen Zitronen, dem sortenreinen Honig und den Pinienkernen etwas mitgenommen, aber meine Koffer waren schon bis auf 100 Gramm Genauigkeit abgewogen.

Ganz im Gegensatz zur Altstadt Jerusalems war Tel Aviv voll. Die Allenby- und Dizengoffstraße, überall belebte Cafes unter blauem Himmel. Doch über der vielgerühmten Leichtigkeit eine allgegenwärtige Schwermut. Und wie zur Bestätigung waren um den Brunnen des Dizengoffplatzes herum Tausende von Fotos, Blumen, Bildern, Briefen und Stofftieren für die Gefallenen und die Geiseln aufgestellt.

Man spürt es, die israelische Gesellschaft ist gespalten wie nie zuvor. Manche demonstrieren für das Ende des Krieges, andere dagegen. Manche demonstrieren für die Freilassung der Geiseln und viele bleiben zuhause. Auch in der Peripherie, dort wo ich lebte, gehen weniger und weniger Menschen auf die Straße. Viele von denen, die jedes Wochenende an den Demos teilgenommen haben, sind müde, deprimiert, ausgelaugt. Demonstrieren als Volksaufbegehren ist sinnlos, wenn die Politik nicht drauf reagiert.
Ich verlasse ein Land das an den Rändern ausfranst und im Inneren von zahlreichen Rissen durchzogen ist. Dementsprechend werde ich mich nicht nach dem Gefühl der Zurückhaltung und Vorsicht, jedes Mal wenn man mit einem Fremden über Politik spricht, sehnen. Sehr wohl aber danach, dass die Leute sich immer im Auge behalten, anpacken, einspringen oder eingreifen, wenn es nötig wird. Oft so viele, dass man den Überblick verliert, wer nun ursprünglich zum Geschehen gehört, und wer einfach nur zufällig daherkam.

Ich werde mich nach Pardes Hanna sehnen, nach den vielen kleinen Cafes, von denen sich so manches anfühlt, als ob man einfach nur in Nachbars Wohnzimmer Kaffee trinkt. Mir wird der rege Obst-gegen-Kuchen-Tausch mit meiner Nachbarin über die Gartenmauer hinweg fehlen. Pomelit (eine Kreuzung aus Pomello und Pampelmuse) und Litchi gegen Ma´amul (marokkanische, mit Dattelmus gefüllte Mürbteigplätzchen) und traumhaft fluffigen Käsekuchen. Ich werde meinen Orangenbaum vermissen, denn wo kann man schon hier in Deutschland eine Apfelsine in der Hand halten, die so lange am Baum bleiben durfte, bis der Blütenansatz nach Jasmin duftet?

Es wird noch vieles mehr dazukommen, nach dem ich Sehnsucht haben werde, allerdings steht jetzt schon eines fest, ich werde Israel so vermissen, wie man Bruder oder Schwester liebt: weil man es nicht anders kennt, heiß, innig, manchmal mit Kopfschmerz, aber immer.

Doch hier in Deutschland werde ich nicht untätig sein. Sowohl archäologisch geht es weiter, insbesondere da ich dafür nur Laptop und Internet brauche, und auch der Tourismusbranche bleibe ich treu. Schon seit Monaten arbeite ich mit meinem Kollegen Etai Paldi von Israel mal Anders aus Münster an (gar nicht so) kleinen aber feinen Kurzreisen in Deutschland, die besondere Regionen in den Mittelpunkt stellen. Ziel ist es, unsere Kunden, gut ausgestattet mit Reiserouten, Reisezielen, Unterkünften und Informationsmaterial, in den Urlaub zu schicken. Während Etai den Ruhrpott und dessen Umgebung im Fokus hat, habe ich besonderes Augenmerk auf meine alte Heimat, den Osten Deutschlands gelegt. Als gebürtiger Thüringerin liegt mir das magische Gebiet von Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt besonders am Herzen. Die Wiege des deutschen Mittelalters befindet sich hier, und so warten unvergleichliche Kulturschätze, manchmal im wahrsten Sinne des Wortes, darauf, entdeckt zu werden. Denn wie sagte selbst meine Mutter, die in Roben geboren wurde und in Ronneburg und Gera gelebt hat: “Der Osten hat irgendwie etwas Geheimnisvolles!“.

In diesem Sinne freue ich mich auf ein Wiedersehen und wünsche Euch allen Glück, Gesundheit und vor allem Frieden.
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