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Mein Senf zu Israel

Hilfe, meine Burg geht unter!

Updated: Oct 26, 2020

Als Kind träumte ich davon, Burgfräulein zu sein. Ich malte mir aus, wie ich in einer schmucken Burg im obersten Stockwerk auf dem Balkon stand. Hinter mir bauschten sich die handgehäkelten Gardinen im Sommerwind, und vor mir lag eine weite Landschaft. Wenn ich die Augen zusammenkniff, dann konnte ich in der Ferne ein rythmisches Funkeln erkennen. Das musste mein Ritter in hochglanzpolierter Rüstung sein, der seinem Pferd die Sporen gab, um so schnell wie möglich zu mir zu kommen ...

Aus dem Thüringer Wald mit einer Burg auf jeder Erhebung höher als 50 Meter ist mittlerweile das Mittelmeer geworden, doch Burgen zum Träumen gibt es immer noch genug. Am kürzesten ist mein Weg zur Johanniterburg von Apollonia. Direkt über der Küste sitzt sie auf einer Klippe, die langsam vom Meer unterhöhlt wird und beim Abrutschen hellblaues, byzantinisches Glas, römische, rotpolierte Scherben und grünspanige Münzen freigibt. Etwas weiter weg werden die Burgen noch spektakulärer. Die Burg Belvoir – „Schöne Aussicht“ am Rande des Jordantales heißt nicht umsonst so. Wenn man an der Ostseite der Burg steht, hat man einen atemberaubenden Blick bis hoch zum See Genezareth und genau gegenüber erheben sich die Moavberge Jordaniens. Die Burg Montfort im Tal des Kziv-Flusses dagegen hat sich der Deutschritterorden als Stammburg ausgesucht. Man könnte meinen, der Großmeister wäre heimwehkrank gewesen, als er die Lage der Burg bestimmte. Vom Palais aus schaut man in dicht bewaldete Hügel, und unten im Tal plätschert ein von Eichen umstandener Fluß, ganz so, wie irgendwo im Saale-Unstrut-Kreis.

von links: die Burg Apollonia, Ausblick auf die Moavberge Jordaniens von Belvoir und die Burg Montfort

Aber egal wie gewaltig diese Burgen sein mögen, wie weit man von ihnen aus ins Land schauen kann, die Zeiten haben sich geändert und mit ihnen meine Burgenträume. Was die betrifft, sind meine Phantasien in den Keller gerutscht. Buchstäblich!

Schreiben wir also die Geschichte vom Burgfräulein um:

Es war einmal vor langer Zeit, da saß eine edle Dame unterm Gewölbe. Ausblick gab es keinen, und das einzige Fenster, das noch ins Freie ging, war zur Tür umfunktioniert. Eine Rampe aus Erde und Geröll führte vom Fenstersims hinunter ins Gemach und wenn man nicht aufpasste, wohin man trat, saß man schneller auf dem Hintern als gedacht. Wieviele Ritter es hier schon hingelegt hatte. Das Burgfräulein seufzte! Noch so einer, der grobmotorisch zu ihr runtergepoltert kam, und sie gab das mit dem Sich-retten-lassen-wollen auf ...

Das hört sich garnicht romantisch an, ich weiß, aber es hat ja doch seinen ganz besonderen Reiz, wenn man nicht schon von weitem von einer Burg angesprungen wird, sondern erst abenteuerlich nach ihr suchen muss. Andernorts versinken nämlich Schiffe im Meer, bei uns hier in Israel versinken Burgen in der Erde. Das deshalb, weil sie erobert, zerstört und sich selbst überlassen wurden. Im Laufe der Jahrhunderte eroberte die Natur dieses Territorium zurück, und die Erde verschlang, was der Mensch nicht mehr wollte.

Ein schönes Beispiel für diesen horizontalen Ortwechsel ist Merchavia, ein Kibbutz im Jezreeltal. Dort wusste man, dass man die Häuser des Kibbutzes auf den Ruinen einer Templerburg namens Le Fev errichtete. Bis heute ist der Burggraben sichtbar und wenn man zu den Kibbutzhäusern hochläuft, läuft man gleichzeitig auf den Burghügel. So ist es kein Wunder, dass man zwischen manchen Häusern noch die Schlußsteine der Gewölbe aus dem Boden ragen sehen kann. Die große Überraschung kam für die Kibbutzbewohner 1947, als man an der Westseite des Burghügels ein Schwimmbad anlegen wollte. Man zog die Mauern hoch, kachelte und verfugte das Schwimmbecken, und dann kam der große Augenblick an dem man das Wasser einließ ... Als die Kibbutzniks am nächsten Morgen zur Baustelle kamen, war das Schwimmbecken leer und am Boden ein riesengroßes Loch. Die Last des Beckens samt eingefülltem Wasser hatte die Decke eines darunterliegenden kreufahrerzeitlichen Gewölbes einbrechen lassen und damit auch alle Hoffnungen auf Badevergnügen.

von links: Merchavia mit dem ehemaligen Burggraben, versunkenes Gewölbe, Ausblick auf das Gilboagebirge

In Hanaton, an der alten Handelsroute von Akko nach Tiberias hat man das Kibbutz vorsorglich in einiger Entfernung vom alten Stadthügel gebaut. Der steht auf der anderen Straßenseite und sieht aus der Entfernung zwar spektakulär, allerdings wenig nach Burg aus. Wenn man jedoch den Hügel hochsteigt und dann durch ein kleines Loch in die Erde hinunter, findet man sich mitten in einem riesigen Gewölbe wieder, das der Konstruktion nach zu einer mächtigen Anlage der Kreuzfahrerzeit gehört. Der Rest der Burg mit all seinen Räumen, Türmen, Treppen und Passagen ist verschüttet und schlummert unter der Erde seinem Dornröschenmoment entgegen.

von links: Tel Hanaton, unterirdisches Gewölbe, Blick auf den unteren Galil

Zum Tel Ayalon zwischen Beth Schemesch und Modiin muss man erstmal durch den Park Kanada hinunterfahren. Unten am Fuße der gewundenen Straße findet man die Überreste eines römischen Quellenhauses, umgeben von Spuren alten Gartenbaus: Mandelbäume, Dattelpalmen, Jujubebäume und Feigenkakteen. Mittendrin wölbt sich verräterisch ein Hügel ... Und wieder das gleiche Spiel. Hügel hoch, ins Loch hinunter und schon steht man in einem unterirdischen Gewölbe. Ein Treppenhaus auf der linken Seite führt ins Leere und der Raum geradeaus ist mit Geröll blockiert. Treppen und Gewölbe gehören zu einer Burg, die den klingenden Namen Castellum Arnoldi trägt und einst die Straße von Jaffa nach Jerusalem schützte. Die Straße ist weiter nach Süden gewandert und ist noch heute eine der vielbefahrendsten Autobahnen Israels, die Burg dagegen steht fast vergessen immer noch am selben Fleck.

von links: Tel Ayalon, Castellum Arnoldi, Blick in die judäischen Berge

Die nächste Burg ist garnicht so versunken, eher verbaut. Wieder ist es ein Kibbutz, dass sich in der Nähe der alten Anlage niedergelassen hat, diesmal das Kibbutz Zuba, westlich von Jerusalem. Direkt neben dem Kibbutz geht es einen Hügel hinauf, auf dem weniger kreuzfahrerzeitliche Ruinen als die eines osmanischen Dorfes zu sehen sind, das unbekümmert die Burgmauern neuen Zwecken zugeführt hat. Unbestritten, die Osmanen hatten ein besseres Händchen in der Ortswahl für ihre Siedlung als die Juden. Der Hügel überblickt das judäische Bergland in alle Richtungen und sieht so anziehend aus wie ein schön angerichtetes Spaghettigericht. Die Burg, die die Kreuzfahrer hier errichteten, hieß nicht umsonst Belmont-"Schöner Berg".

von links: Tel Zuba, Ruinen des osmanischen Dorfes, Blick in die judäischen Berge

Bei der letzten versunkenen Kreuzfahrerburg habe ich ein bisschen geflunkert. Sie ist garkeine Burg! Die Rede ist von der Johanniterfestung in Akko, und dass sie vom (Gewölbe)Scheitel bis zur Sohle komplett erhalten ist, hat sie der Faulheit des osmanischen Paschas al-Jazzar zu verdanken. Anstatt die Ruinen der Kreuzfahrerzeit einzuplanieren, ließ er sie mit Geröll auffüllen und baute die osmanische Stadt obendrauf.

Innenhof der Johanniterfestung von Akko

Die Johanniterfestung wurde wieder freigelegt, und man kann sie besichtigen, doch unter der restlichen Altstadt von Akko liegt unter jeder Moschee, unter jedem Wohnhaus und jeder Straße immer noch die verborgene Kreuzfahrerstadt.

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