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Mein Senf zu Israel

Löcher im ... Boden

Updated: Oct 26, 2020

Andere Länder andere Sitten. Manchernorts hat man Löcher im Käse, wir haben Löcher im Boden! Während sich die Schweiz, die Niederlande, Deutschland und, etwas verhaltener, Frankreich Löcher mit viel Geschmack drumherum aufs Brot, Brötchen oder Baguette legen, machen wir es umgekehrt. Wir legen uns vor unsere Löcher ... Hier übertreibe ich vielleicht ein wenig, aber unsere Löcher bewegen die Menschen tatsächlich dazu, sich vor ihnen zu verbeugen, niederzuknien und in ganz besonderen Fällen eben auch hinzulegen. Übrigens kann dieser Hinlege-Drang alle möglichen Leute in anderen Ländern genauso überkommen! Nämlich dann, wenn sie einen gut belochten, geschmackvollen Käse probieren ... Aber bevor ich jetzt zu blasphemisch werde, sage ich Ihnen vielleicht, worum es geht.

Mit heiligen Löchern meine ich genau vier, zwei in sehr berühmten Kirchen und zwei an weniger bekannten Orten Israels und Palästinas.

Die beiden bekanntesten Löcher befinden sich in Jerusalem und in Bethlehem.

In der Geburtskirche in Bethlehem muss man in eine Grotte unter dem Hochaltar hinuntersteigen um in einer Altarnische das von einem 14-strahligen Silberstern umgebene Loch zu finden, welches die Stelle markiert, an der Jesus geboren wurde.

In der Grabeskirche in Jerusalem dagegen geht es nach oben. Dort zeigt im oberen Stockwerk der Golgothakapelle, auf gleicher Höhe wie die Spitze des Felsens, den sie umgibt, ein mit Gold und Silbertreibarbeiten geschmücktes Loch die Stelle an, an der das Kreuz stand an dem Jesus starb.

Die beiden weniger bekannten heiligen Löcher befinden sich so wie der Kreuzigungsort in Jerusalem.

Mitten in der Neustadt, in einem idyllischen Tal steht ein trutziges Kloster, das des Heiligen Kreuzes. Abweisende Mauern umschließen dicht gedrängte Gebäude, in denen sich Lagerräume, Schlafsäale, Refektorium und Studienräume befinden. Und inmitten der Zeugen klösterlichen Lebens wacht eine alterwürdige Kirche über den Ort an dem einst ein dreistämmiger Baum stand. Der Überlieferung nach wuchs er aus den drei Stäben, die die Engel bei ihrem Besuch bei Abraham an der Mamre-Eiche in Hebron zurückließen. Abraham gab diese Stäbe dem unglücklichen Lot mit der Anweisung sie in der Nähe Jerusalems zu pflanzen und gut für sie zu sorgen. Aus den Stäben wuchsen eine Pinie, eine Zypresse und eine Zeder, aus deren Holz auf Anweisung Pontius Pilatus das Kreuz Jesu gefertigt wurde.

Auch die vierte Kirche, in der sich ein heiliges Loch befindet, gehört zu einem Kloster, nämlich zum Kloster des armenischen Viertels der Jerusalemer Altstadt. Während das weit entfernte Santiago de Compostella jährlich Zehntausende von Pilgern anzieht, Schriftsteller und Regisseure zu Büchern und Filmen animiert, ist es in der Jakobus-Kathedrale in Jerusalem meist leer. Dabei müsste es hier genauso tumultig zugehen, denn in Santiago de Compostella besuchen die Gläubigen das Grab eines unvollständigen Heiligen. Und während der Apostel Jakob buchstäblich kopflos in Nordspanien seine letzte Ruhestätte gefunden hat, liegt sein Haupt hier in der Jakobus-Kathedrale ca. 5000 Kilometer vom Körper entfernt in einem kleinen Altarraum links neben der Kirchenhalle, in dem ein marmorverkleidetes Loch den Ort markiert, an dem ihn die Jungfrau Maria bestattete.

Lassen Sie sich von Marmor, Holzschnitzereien, Perlmutt, silbernem und goldenem Schmuck in den Altären über diesen Löchern nicht täuschen! Zwar gehören sie zu Kirchen die selbst schon uralt sind, aber die unbestrittenen Stars sind die schlichten Felsen, die unter den prächtigen Verkleidungen liegen. Seit vielen Jahrhunderten gelten sie als heilige Orte, und es kann gut sein, dass an ihnen tatsächlich das stattgefunden hat, wofür man sie heute verehrt. Könnte man den Boden so mancher Kapelle oder Kirche anheben, fände man darunter Spuren die weit in die Vergangenheit zurückreichen.

In der Kirche des Klosters des Heiligen Kreuzes ist schon der heutige Mosaikboden der Kirche fast 1000 Jahre alt. Darunter jedoch kamen bei Restaurationsarbeiten Überreste eines älteren Mosaikbodes aus dem sechsten Jahrhundert u.Z. zum Vorschein. Er ist Zeuge dafür, dass schon für die frühen Christen dieser Ort so wichtig war, dass sie ihn mit einer Kirche ehrten

In Bethlehem steht über dem Geburtsplatz Jesu die dienstälteste Kirche des heiligen Landes. In keinem anderen Gotteshaus wurde Jesus länger ununterbrochen verehrt, und dieser Eindruck wird durch die über 1400 Jahre alte Basilika unterstrichen, die vom Scheitel bis zur Sohle ins sechste Jahrhundert datiert. Nun gut, die alterwürdige Dame trägt eine Perücke aus dem 15. Jahrhundert, aber das tut der beindruckenden Aura der Kirche keinen Abbruch. Und wenn man die hölzernen Falltüren im Boden des Kirchenraumes öffnet, wird der Ort zwei Jahrhunderte älter. Circa einen halben Meter unter dem heutigen Steinboden liegen nämlich Stücke des Mosaikboden des urprünglichen Kirchenbaus der von Konstantin im vierten Jahrhundert u.Z. in Auftrag gegeben wurde.

Auch in der armenischen Jakobus-Kathedrale lassen sich die Vorgängerbauten der Kirche bis ins vierte Jahrhundert u.Z. zurückverfolgen.

Doch trotz der jahrtausende alten Verehrung klaffen immer noch mindestens dreihundert Jahre zwischen den heiligen Felsen und dem Kirchenschmuck darüber, zwischen den neutestamentlichen Ereignissen und den Anstrengungen durch Kaiser Konstantin und Kaiserin Helena die heiligen Plätze der Christenheit zu identifizieren.

Obwohl es am Golgothafelsen mit dem "Unter-den-Teppich"-gucken am schwierigsten wird, kommen uns ausgerechnet dort die Römer zu Hilfe, wenn es darum geht zu klären, wie alt die Heiligkeit der Felsen ist. Als der römische Kaiser Hadrian im zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung Jerusalem neu erbauen ließ, errichtete er zwei Tempel: einen Jupiter geweihten Tempel, dort wo 65 Jahre zuvor der zweite jüdische Tempel in Flammen aufgegangen war und einen Tempel dort wo ... Tja, das ist die Frage.

Was war dort, wo er der Aphrodithe einen Tempel baute?

Es liegt nahe anzunehmen, dass dieser Ort heilig gewesen sein muss! Die Römer waren gründliche Eroberer. Sie wussten nicht nur, wie man Infrastrukturen und altbewährte Machtverhältnisse zu seinen Gunsten nutzt, sondern auch, wie man sich die Heiligkeit eines Ortes zu Eigen macht. Ziegel, Steine und Mörtel mussten teuer bezahlt werden, die Aura eines Ortes bekam man unentgeltlich dazu. Im Falle des Areals auf dem der Aphrodithetempel gebaut wurde, ist es verlockend zu glauben, dass es sich dabei um den Ort handelte, an dem laut einer verfolgten religiösen Minderheit ein Mann gekreuzigt und bestattet worden war, der von ihnen für den Sohn Gottes gehalten wurde.

Als Helena und Konstantin in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts nach Palästina kamen, erwartete sie in Jerusalem eine Stadt, in der die Jahrhunderte die Spuren der ur-christlichen Vergangenheit verwischt hatten. Doch inmitten all der Dunkelheit fanden sie geflüsterte Hinweise, vage Beschreibungen und bruchstückhafte Erinnerungen. Und was sie uns hinterlassen haben, ist ihre eigene fromme Erfüllung. Davon zeugen bis heute die wenigen aber beeindruckenden Überrreste der konstantinisch-helenischen Bautätigkeit.

Und die Wahrheit?

Die liegt immer im Auge oder im Herzen des Betrachters. Heiligkeit ist wie ein stetiges Feuer. Der Rauch, der davon aufsteigt, kann mühelos verweht werden, doch hält man inne und ruhig, dann kehrt er unbeirrbar zurück.

Waren Sie mal in einer der Kirchen, wenn es gerade nicht hoch hergeht? Es ist alles noch da! Das Hier und Jetzt tritt in den Hintergrund, die Geschichte beginnt sich selbst zu erzählen, und die Aura wirkt. Genauso wie am ersten Tag. Welcher auch immer das war. Glauben Sie mir!

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